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13.04.2017

Top - Kongress „Muskel trifft Faszie – Anatomie zum Anfassen“

am 8. und 9. April im Eduardus-Krankenhaus in Köln-Deutz.

In diesem Jahr wurde der Kongress der Internationalen Gesellschaft für Schmerz- und Triggerpunktmedizin e.V. in Zusammenarbeit mit dem Landesverband NRW e.V. als praxisorientiertes Symposium mit Vorträgen und Workshops  mit rd. 150 interessierten Teilnehmern abgehalten. Da die Workshops frühzeitig ausgebucht waren, konnten nicht mehr Teilnehmer aufgenommen werden.


Zu der zentralen Frage „Kommen myofasziale Schmerzen aus dem Muskel oder aus der Faszie?“ referierten international anerkannte und hochkarätige Referenten aus den Gebieten der Triggerpunktbehandlung, der Faszienforschung, der Anatomie und der Trainings- und Körpertherapie.
Das Symposium wurde eröffnet vom Vorsitzenden der IGTM, Dr. Markus Hansen und Rita Schütte, der 1. Vorsitzenden des Landesverbandes NRW e.V.. Aus der Sicht des Praktikers, der seit über 20 Jahren myofasziale Schmerzen behandelt, stellte Dr. Hansen dar, dass die Triggerpunkte als Schmerzursache überwiegend in der Muskulatur liegen und auch dort der Behandlung zugängig sind. Triggerpunkte können gut mit manuellen Techniken behandelt werden. Ein besonders effektives Mittel zur Behandlung von Triggerpunkten ist die Stoßwelle, mit der punktgenau Triggerpunkte auch tief im Muskel gefunden und sehr wirksam behandelt werden können. Die verschiedenen Gerätetypen wurden mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen vorgestellt.


Anschließend berichtete Professor Dr. Andry Vleeming, tätig in der klinischen Anatomie und der Reha sowohl in Gent (Belgien) als auch in New England (USA) über die funktionelle Anatomie des Beckens. Er erklärte uns mit wunderbaren anatomischen Präparaten und anschaulichen Modellen, warum bei Männern der untere Rückenschmerz überwiegend von der Lendenwirbelsäule ausgeht, bei Frauen aber sehr viel häufiger von einer mangelnden Stabilität des Beckengürtels. Er präsentierte ein Rehaprogramm, dass die aktuell leider im Trend liegenden Versteifungsoperationen am ISG zum größten Teil verhindern kann. In einem weiteren Vortrag zeigte er uns an funktionell bewegten Präparaten, wie Muskeln und Faszien im Zusammenspiel den so beweglichen Lendenbereich, die Körpermitte, die zwischen dem knöchern stabilisierten Brustkorb und dem wenig beweglichen Becken liegt, stabilisieren. Die Kernaussage: Nur in idealer Abstimmung zwischen Muskeln und Faszien kann der Lendenbereich sowohl beweglich als auch hoch belastbar sein.


Professor Dr. Brno Müller-Oerlinghausen, emeritierter Professor für klinische Psychopharmakologie der Charité Berlin, führte uns mit einem unerwarteten Brückenschlag in die Welt der Depression und des Burnouts. Er zeigte mit wissenschaftlich sauberen Studien, dass sanfte, rhythmische und großflächige Massagen des subcutanen Bindegewebes vor allem bei leichten und mittelschweren Depressionen signifikant wirksamer sind als pharmakologische Antidepressiva. Diese Massage ist reine Faszientherapie der fast den ganzen Körper umspannenden Fascia superficialis und bewirkt eben nicht nur eine mechanische Veränderung sondern u.a. auch psychische hormonelle und stoffwechselaktive Effekte.
Dr. biol. hum. Robert Schleip, der international anerkannte Experte für Faszien, Direktor der Fascia Research Group der Universität Ulm führte uns mit seinen unnachahmlich unterhaltsamen und gleichzeitig informativen Vorträgen in die immer größer werdende Welt der Faszien ein. Fasziengewebe zeigt eine ungeheure Formen- und Funktionsvielfalt vom feinsten, ein Muskelbündel umspannenden Epimyseum bis zur Achillessehne. Faszien sind trainierbare Strukturen und man kann durch unterschiedliches Training sowohl die Elastizität als auch Rissfestigkeit verbessern. Natürlich sieht er als Faszienforscher die Hauptursache von Schmerzen und Funktionsstörungen vorrangig im Fasziengewebe. Dennoch stellt auch für ihn Muskel und Faszie eine untrennbare Funktionseinheit dar und letztlich bewirkt jede Behandlung am Muskel auch einen Effekt an der Faszie und umgekehrt.


Divo Müller, Körpertherapeutin aus München, gab uns einen Einblick in die so häufigen Probleme des Beckenbodens, der überwiegend von Faszien gebildet wird und wie man hier durch Faszientraining oft rasche Besserung der die Patienten oft stark belastenden Beschwerden erreichen kann. Zudem aktivierte sie das Publikum in ihren „Movement breaks“ immer wieder zur Bewegung mit praktischen Faszienübungen.
Last but not least berichtete Roland Gautschi, der Verfasser der „Bibel“ der deutschsprachigen Triggerpunktmedizin, über Diagnostik und Therapie bei Lenden-Becken-Schmerzen. Er betonte, dass Triggerpunkte nicht nur in Muskeln, sondern auch in Sehnen, Bändern, Knochenhaut und im subcutanen Bindegewebe vorkommen. Mithin haben alle Triggerpunkte Bezug zu den Faszien des Körpers. Auch könne man nie den Muskel isoliert sehen. Es geht immer um eine funktionelle Einheit, die von Ansatz zu Ansatz reicht und damit mindestens Sehne – Muskel – Sehne beinhaltet und zudem in untrennbarem Kontakt mit den umgebenden Faszien steht. Dazu gab es noch einen Workshop, bei dem die Triggerpunktdiagnostik nach dem Lehrprogramm der IMTT® mit ihm geübt wurde. Hier zeigte sich wieder, dass die Ausbildung in der Triggerpunkttherapie nach der Schule der IMTT® ein hervorragendes Mittel ist, um Patienten mit langer Krankheitsgeschichte genau zu diagnostizieren und ihnen auch nachhaltig zu helfen.


Die durchweg hochkarätigen Referenten kamen aus ganz unterschiedlichen Fachbereichen, teilweise aus der Forschung und teilweise aus der Praxis. Dennoch war der allgemeine Konsens, dass Faszien und Muskeln eine untrennbare Einheit bilden. Sicher mögen die Ursachen der Beschwerden mal stärker im muskulären Bereich (z.B. myofasziale Triggerpunkte) und mal stärker im faszialen Bereich (z.B. Achillodynie) liegen. Wir sollten uns da aber nie sicher sein und immer beides in die Untersuchung und auch in die Behandlung einbeziehen, denn eine Behandlung der Faszien hat immer auch einen Einfluss auf die Muskeln und umgekehrt. Schaut man sich das Lehrbuch der Manuellen Triggerpunkt-Therapie von Roland Gautschi an, so sieht man, dass die IMTT® schon seit über 20 Jahren Muskeltechniken mit Faszientechniken kombiniert.